7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams und deren Design
Optimales Team-Design hat entscheidenden Einfluss auf den Erfolg eines Innovationsteams. Es gibt 7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams – Erkenntnisse von Amazon, Google, Microsoft, P&G, Spotify, Toyota helfen bei der Optimierung des Innovationsteam-Designs. Ausgangspunkt der Überlegungen sind hier radikale Innovationsteams. Bei inkrementellen Innovationsteams ergeben sich ein paar Abweichungen, die ich erkläre. Dies sind die 7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams:
Erfolgsfaktor #1: Kleine Zahl von Mitgliedern von Innovationsteams
Die Größe eines Innovationsteams sollte acht Personen nicht überschreiten. Optimaler Weise besteht das Team, vor allem am Anfang, nur aus zwei bis vier Personen. Berühmt ist Amazons Motto vom „Two-Pizza-Team“. Google ist ein Befürworter einer kleinen Teamgröße, da sie die Komplexität von Interaktion und Kommunikation verringert und die Entscheidungsfindung beschleunigt. Ex-CEO Schmidt erklärt: “Das beste Programmierteam ist ein “Telefonanruf”, bei dem zwei Personen, Du und ich, gemeinsam programmieren. Das zweitbeste Programmierteam ist, dass alle in einen einzigen Raum passen. Alle anderen Varianten sind schlecht”.
In ähnlicher Weise betont Procter & Gambles F&E-Veteran Dirksing, der dem Crest Whitestrips Innovationsteam angehörte: „Das Schlimmste, was Du im ersten Teil eines Projekts tun kannst, ist, einen ganzen Haufen von Menschen darauf zu setzen“, erklärt er. „Es ist am besten, zwei Personen zu nehmen und sie loszulassen: eine ältere Person für Weisheit und Rat und eine jüngere für Energie und Inspiration“. Diese Aussage wird durch einige Untersuchungen gestützt. Es wurde festgestellt, dass heutzutage Forscher die Zeiten ihrer größten Beiträge im Alter von etwa 36 Jahren haben. Wenn ein junger Forscher mit einem älteren Kollegen mit mehr Erfahrung und Effizienz zusammenarbeitet, wird der Output maximiert.
Microsoft merkt an, dass Innovationsteams, die Betriebssoftware entwickeln, in der Regel größer sind als Teams für Applikationssoftware. Da es jedoch den Unternehmergeist kleiner Teams bevorzugt, teilt es große Teams in viele kleine Teams auf, die beträchtliche Freiheiten haben und parallel zu einander arbeiten, die aber auch einige Regeln einhalten müssen, um ein hohes Maß an Koordination und Kommunikation zu erzwingen.
Warum eine kleine Zahl von Teammitgliedern so wichtig ist, zeigt folgende Abbildung: Mit jedem weiteren Teammitglied steigt der Bedarf an Interaktion, und dieser Anstieg ist exponentiell! Jedes zusätzliche Teammitglied bedeutet einen Produktivitätsverlust von 7%.
Abbildung: Exponentieller Effekt der Teamgröße auf die Anzahl der Interaktionen
Erfolgsfaktor #2: Co-Location der Mitglieder des Innovationsteams
Die Zusammenplatzierung der Mitglieder eines radikalen Innovationsteams ist eine Schlüsselaktion, um das kreative und innovative Potenzial des Teams zu steigern. Unternehmen wie Google, Microsoft, Spotify und viele andere halten sich an dieses Prinzip. Google möchte, dass die Teammitglieder in einem gemeinsamen Büro in unmittelbarer Nähe zueinander arbeiten. Googles ex-CEO Schmidt nennt diese Regel: “Pack sie zusammen”.
Die Wahrscheinlichkeit einer Kommunikation steigt, je näher die Teammitglieder bei einander arbeiten. Die Auswirkung der Nähe auf die Kommunikation wird in der folgenden Abbildung verdeutlicht. Bei einer physischen Entfernung von nur 30 Metern ist die Wahrscheinlichkeit einer Kommunikation zwischen Mitarbeitern immer noch sehr gering.
Abbildung: Wahrscheinlichkeit der Kommunikation in Abhängigkeit von der physischen Nähe der Teammitglieder
Wenn sich die Entfernung jedoch auf nur wenige Meter verringert, steigt die Kommuni-kationshäufigkeit dramatisch an.
Wenn eine trotz allem dauerhafte Co-Location der Teammitglieder nicht möglich sein sollte, so ist zumindest die Einrichtung eines dauerhaften Teamraums wie Toyotas obeya ratsam, in dem sich die Mitglieder des Innovationsteams regelmäßig zu Meetings treffen und der nur diesem einen Innovationsteam vorbehalten ist.
Was das Argument für ein zusammenplatziertes kleines Team auch noch unterstützt, ist die Bedeutung der direkten Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bei Innovationen. Diese Kommunikationsform ist eindeutig die wertvollste Form der Kommunikation, vor der Kommunikation per Telefon oder Videokonferenz, während E-Mail (und ähnlich auch Chat) die am wenigsten wertvolle Art ist. Die erfolgreichsten Innovationsteams zeichnen sich durch den Reichtum ihrer persönlichen Face-to-Face-Kommunikation aus.
Anders als bei radikalen Innovationsteams findet man bei inkrementellen Innovationsteams oft, dass die Teammitglieder nicht zusammenplatziert sind, sondern jeder noch seinen Arbeitsplatz in seinem Fachbereich behält. Das liegt u.a. daran, dass die Explorationsphase am Anfang, in der die persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht von kritischer Bedeutung ist, bei inkrementellen Innovationen extrem kurz ist.
Erfolgsfaktor #3: 100%iges Engagement der Mitglieder des Innovationsteams für ein Innovationsprojekt
Bei inkrementellen Innovationen verbringen die Teammitglieder meist nur einen Teil ihrer Zeit mit dem Innovationsprojekt, und die restliche Arbeitszeit verwenden sie für die Erledigung ihrer Routineaufgaben.
Ganz anders sind die Anforderungen an die Mitglieder eines radikalen Innovationsteams. Nicht nur in der Anfangsphase ist es wichtig, dass sie im ständigen und engen Kontakt Ideen entwickeln, diese in Prototypen/ MVPs umsetzen, testen und nachbessern. Auch in den Folgephasen tauchen immer wieder neue Herausforderungen auf, für die in Teamarbeit schnelle und kreative Lösungen entwickelt werden müssen. Es ist in einem solchen Innovationsteam durchaus erwünscht, dass die Teammitglieder ständig an ihr Projekt denken und über mögliche Lösungen für neu aufgetretene Probleme nachdenken. Das spricht dafür, dass alle Teammitglieder 100% ihrer Zeit nur diesem einen radikalen Innovationsprojekt widmen und ihre Routineaufgaben abgeben.
Das heißt aber auch, dass die Mitglieder eines radikalen Innovationsteams auch nur ein radikales Innovationsprojekt unterstützen sollen und nicht etwa zwei oder drei. Wären Teammitglieder an mehreren Projekten gleichzeitig beteiligt, fiele ihre Arbeitseffizienz ab, und die Innovationsprojekte würden länger dauern. Das liegt an den Zeitverlusten, die daraus resultieren, dass sich ein Teammitglied von einem Projekt auf ein anderes umstellen und sich wieder in das andere Projekt „reindenken“ muss. Die folgende Abbildung belegt, dass bereits bei zwei Innovationsprojekten 20% der Zeit verloren geht aufgrund der
Abbildung: Zeitverlust aufgrund der Umstellung von Projekt auf Projekt
Projektumstellung. Zu dem Zeitverlust kommt hinzu, dass bei mehr als einem Projekt das Commitment des Teammitglieds wahrscheinlich verwässert wird. Für Amazons „Two-Pizza-Teams“ gilt die klare Regel: „One team, one problem”. Multitasking ist ausgeschlossen.
In der Praxis sind aber solche radikalen Innovationsteams mit 100%igem Engagement der Teammitglieder oft aus Gründen der Personalknappheit nicht möglich. In diesen Fällen greift man zum Matrix-Projektmanagement. Der Teamführer und sein Team sind weiterhin für den Innovationserfolg des Teams verantwortlich, der Teamführer ist aber auf die Leiter der Fachbereiche bzw. Geschäftssparten angewiesen, die ihm zusätzliche Teammitglieder zur Verfügung stellen. Diese bleiben gewöhnlich disziplinarisch weiterhin den Funktions- bzw. Spartenleitern unterstellt und stehen dem Team nur mit einem Teil ihrer Arbeitszeit zur Verfügung.
Das Matrix-Projektmanagement ist Toyotas Art, Innovationsteams zu organisieren. Dem Chefingenieur als Teamführer unterstehen disziplinarisch und in Vollzeit nur wenige Mitarbeiter. Alle anderen Mitglieder seines Innovationsteams sind ihm von den Funktionen fürs Projekt nur temporär zur Verfügung gestellt, und sie berichten über eine sog. „dotted line“ nur indirekt an ihn. Toyota sieht einen großen Vorteil dieser Organisationsform darin, dass die Teammitglieder in ihren Fachbereichen verankert bleiben und so ihr funktionales Expertenwissen im direkten Kontakt mit ihren Fachbereichskollegen ständig weiterentwickeln können.
Erfolgsfaktor #4: Kompetenzen der Mitglieder des Innovationsteams ergänzen sich
Um den Erfolg des Innovationsteams zu maximieren, sollten sich die Kompetenzen der Teammitglieder optimal ergänzen. Das gilt sowohl für radikale als auch für inkrementelle Innovationsteams.
Im Innovationsteam sollten sich möglichst die Kompetenzen widerspiegeln, die das Kompetenzmodell eines Innovationschampions ausmachen, also Technologiekompetenz, Marktkompetenz, Prozesskompetenz, persönliche bzw. Sozialkompetenz und Führungskompetenz. Alle diese Kompetenzen in einem Innovationsteam zu vereinen, fällt natürlich leichter, wenn das Team etwas größer ist. Falls das Team dagegen nur aus zwei oder drei Personen besteht, sollte jedes einzelnes Teammitglied mehrere dieser Kompetenzen abbilden. Da gehört natürlich auch Glück dazu. Deshalb ist es durchaus üblich, dass kleine Innovationsteams oft auf einer Ad-hoc-Basis je nach Bedarf andere Personen hinzuziehen, die ihnen temporär diese im Augenblick fehlende Kompetenz zur Verfügung stellen können. Das ist z.B. bei fehlender Fachexpertise oft der Fall, kann aber auch z.B. die Hilfe durch einen Außenstehenden bei der Teammoderation betreffen.
Auch wenn alle Innovationsteams eine ähnliche Grundausstattung an Kompetenzen benötigen, so ist doch die Spannbreite der gesuchten Kompetenzen und die Diversität der eingebrachten Perspektiven bei radikalen Innovationen tendenziell höher ist als bei inkrementellen Innovationsteams. Denn radikale Innovationsteams brauchen zusätzlich z.B. Querdenkertalent in ihren Reihen und vor allem Unternehmertypen. Hinzu kommt, dass radikale Innovationsteams, die ja nach ganz neuen Lösungen suchen sollen, das sog. „organisatorische Gedächtnis“ überwinden müssen. Deshalb gibt es die starke Empfehlung, den einen oder anderen Externen, der Erfahrungen aus einer anderen Organisation und möglichst auch noch eine fehlende Expertise mitbringt, fürs radikale Innovationsteam zu gewinnen. Gerade aktuell im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Bildung agiler radikaler Innovationsteams ist die Rekrutierung Externer, möglichst mit Start-up-Erfahrung, sehr relevant.
Erfolgsfaktor #5: Verpflichtung des Innovationsteams auf eine gemeinsame Mission und dieselben Leistungsziele
Ihre Team-Mission und ihre Ziele setzen sich manche Innovationsteams selbst wie z.B. die autonomen Squads von Spotify. Oft kommen sie allerdings vom übergeordneten Management, wie z.B. der Auftrag an Toyotas G21/Prius Team, ein umweltfreundliches Auto fürs 21. Jahrhundert, das schließlich 50% des Kraftstoffs einsparen soll, zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Wichtig ist, dass das Team die Mission und Leistungsziele ausdiskutiert, konkretisiert und sich zu eigen macht im Sinne von „Ownership“. Die Leistungsziele, die das Team von außen erhält oder sich selbst setzt, müssen Outputziele und „smart“ sein, d.h. specific (konkretisiert), measurable (messbar), aggressive yet achievable (anspruchsvoll, aber erreichbar), relevant and influencable (relevant und beeinflussbar) und time-bound (terminiert).
Erfolgsfaktor #6: Verpflichtung des Innovationsteams auf ein einheitliches Prozedere
Hierzu gehören Vereinbarungen zu:
Teamarbeit: Wie wird die Arbeit im Innovationsteam aufgeteilt? Wer ist verantwortlich für was?
Administration & Logistik: Mit welchem zeitlichen Vorlauf sind Termine für Meetings zu vereinbaren? Wie sind Meetings vorzubereiten? Wie nachzubereiten ?
Verhaltensregeln: Das betrifft Regeln bezüglich Offenheit, Respekt, kritischem Hinterfragen, Konfliktlösung usw.
Entscheidungsfindung: Wie werden Entscheidungen gefällt, so dass alle Mitglieder des Innovationsteams dahinter stehen? Ist Einstimmigkeit nötig, oder reicht eine Mehrheit?
Fortschrittskontrolle: Wie und wie häufig misst das Innovationsteam den Projektfortschritt? Wie und wie oft wird externes Feedback eingeholt? Wann sind Korrekturmaßnahmen einzuleiten?
Erfolgsfaktor #7: Gemeinsame und gegenseitige Verantwortung der Mitglieder des Innovationsteams
Das bedeutet:
Jedes Mitglied des Innovationsteams hat das Recht, von den anderen deren individuellen Leistungsbeiträge zum Team einzufordern.
Jedes Mitglied des Innovationsteams hat das Recht, den Fortschritt der Teamarbeit an der Mission und den Leistungszielen zu messen.
7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams
Optimales Team-Design hat entscheidenden Einfluss auf den Erfolg von Innovationsteams. Das gilt für inkrementelle Innovationen und noch mehr für radikale Innovationen. Die innovativsten Unternehmen der Welt, die ich Innovationsmaschinen nenne, nutzen die hier dargestellten 7 Erfolgsfaktoren für Innovationsteams.
Dr. Rolf-Christian Wentz
Quellen:
Wentz RC (2020) Die neue Innovationsmaschine, Kindle Direct Publishing
Katzenbach JR, Smith, DK (2003) The Wisdom of Teams, HarperCollins
Allen TJ, Henn G (2006) The Organization and Architecture of Innovation. Managing the Flow of Technology, Butterworth Heinemann
Hackman RJ (1989) Groups That Work (and Those That Don´t): Creating Conditions for Effective Teamwork, Jossey-Bass
Schmidt E, Varian H (2005) Google: Ten Golden Rules, Newsweek, 2.12.2005, unter: http://analytics.typepad.com/files/2005_google_10_golden_rules.pdf
Rigby D, Elk S, Berez S (2020) Doing Agile Right, Transformation Without Chaos, Harvard Business School Press
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